Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften

Interview: Philosophin Manuela Fernández Pinto (Universidad de los Andes, Bogotá) hält am 2. Mai (18 Uhr) einen Vortrag zu Interessenkonflikten während der Suche nach Corona-Impfstoffen

29.03.2023|16:10 Uhr

„Pandemic science and commercial values: An institutional account for values in science” heißt der Vortrag, den die kolumbianische Philosophin und Gastwissenschaftlerin Manuela Fernández Pinto (Universidad de los Andes, Bogotá) am 2. Mai um 18 Uhr im Gästehaus halten wird. Fernández Pinto wird sich dort mit auseinanderklaffenden Interessen verschiedener Player während der Suche nach Corona-Impfstoffen befassen. Wir haben vor ihrem Vortrag mit ihr gesprochen.


Manuela, herzlich willkommen in Wuppertal! Stell‘ dich gerne vor.

Hallo, vielen Dank. Ich bin associate professor am Lehrstuhl für Philosophie und angewandte Ethik an der Universidad de los Andes in Bogotá, Kolumbien. Aktuell bin ich mit einem Mercator-Fellowship an der Bergischen Universität – als Teil eines Projekts mit Prof. Dr. Anna Leuschner. Im Zuge dessen bin ich für mehrere Monate in Deutschland.

Worum geht es bei diesem Projekt?

Das Projekt heißt „Epistemic intimidation“. Wir wollen verstehen, was Attacken auf Wissenschaftler*innen auslösen. Welche Konsequenzen haben die Attacken auf Wissenschaftler*innen für die Produktion von Wissen? Es gibt berühmte Fälle von Attacken auf Klimatolog*innen oder Wissenschaftler*innen der Gender oder Race Studies. Und in jüngerer Vergangenheit auf Wissenschaftler*innen, die Behandlungen für Covid untersucht haben. Es gibt viele Forscher*innen, die bereits geschaut haben, wie die Betroffenen damit umgehen. Wir aber wollen unseren Fokus auf den epistemischen Teil legen: Welcher also ist der epistemische Einfluss dieser Attacken? Wie schränken sie zukünftige Forschung ein? Und welchen Einfluss haben sie überhaupt auf Wissenschaftler*innen? Gibt es Forscher*innen, die nicht mehr über bestimmte Themen forschen oder gar aus der akademischen Welt verschwinden? Was passiert als Folge dessen mit unserem Wissen? Gibt es weniger Wissen? Wird Wissenschaft weniger gefördert? Vor einigen Jahren etwa hat die ungarische Regierung per Dekret Master-Studien in Gender Studies verboten. Eine Universität musste nach Wien umziehen. Das hat logischerweise einen Riesen-Impact auf das Wissen, das in Ungarn produziert wird.

Wie bist du zu diesem Forschungszweig gekommen?

Ich hatte während meiner Dissertation bereits das Thema „Unwissen“ untersucht. Bestimmte Interessen manipulieren bestimmte wissenschaftliche Diskurse und kreieren Unwissen beim Publikum. Einer der berühmtesten Fälle ist der, bei dem es die Tabakfabrikanten geschafft haben, jahrzehntelang wissenschaftliche Arbeit so zu manipulieren, dass die Menschen die Risiken des Rauchens nicht verstanden. Dasselbe passiert beim Negieren des Klimawandels. Über Letzteres hat vor allem meine Kollegin Anna Leuschner geforscht. 2019 kam ich für eine Konferenz nach Deutschland und habe mich mit ihr getroffen, weil wir uns schon vorher kannten. Wir begannen, Artikel zusammen zu schreiben. Parallel haben wir das Projekt „Epistemic intimidation“ entworfen und es an die DFG geschickt – 2021 ist es schließlich bewilligt worden und heute arbeiten wir gemeinsam daran.

Worum wird es bei deinem Vortrag am 2. Mai gehen?

Verschiedene Werte, die Menschen, Institutionen und Gesellschaften haben, beeinflussen die wissenschaftliche Forschung. Das Paper, das ich präsentieren werde, handelt von der Idee, dass Institutionen, die in der Wissenschaft Einfluss nehmen, bestimmte Werte vorantreiben wollen. Ein Problem, das ich bereits in verschiedenen Artikeln aufgezeigt habe, ist jenes, dass oftmals die sozialen Werte der Wissenschaft nicht mit kommerziellen Interessen der Wissenschaft vereinbar sind; und heute gibt es sehr viel Wissenschaft mit kommerziellen Zielen. Oft stehen diese eben dem Ziel der Wissensgewinnung oder anderen sozialen Zielen entgegen. Was ich in meinem Vortrag konkret zeigen werde, ist, dass es zu Beginn der Pandemie großen Druck gab, das riesige Problem [die Pandemie] zu lösen. In diesem Moment hatten alle Interessensgruppen dasselbe Ziel; kommerzielle Interessen, Regierungsinteressen, NGO-Interessen: alle waren gleich. Und deshalb konnten sehr schnell verschiedene Impfstoffe entwickelt werden. Diese Gleichheit der Ziele aber wurde schnell zerstört: Das Wissen um die Impfungen hätte verteilt und zugänglich gemacht werden müssen. Stattdessen zogen aber plötzlich wieder verschiedene Interessen in verschiedene Richtungen.


​​​​​​​(Interview: Jascha Winking)

Manuela Fernández Pinto steht unter m.fernandezp [at] uniandes.edu.co für Rückfragen zur Verfügung. Mitarbeiter*innen der Presse wenden sich bitte an winking [at] uni-wuppertal.de.

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