Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften

Exkursionsbericht: “Reiseziel Rom - Geschichtswissenschaftliche und literarische Perspektiven auf das lange 19. Jahrhundert”

20.11.2025|13:21 Uhr

„Ja, ich bin endlich in dieser Hauptstadt der Welt angelangt“ schrieb Goethe in seiner Italienischen Reise über seine ersten Tage in Rom. Auf seinen Spuren trafen mit ähnlichen Empfindungen Studenten der Bergischen Universität Wuppertal gemeinsam mit Prof. Dr. Anne-Rose Meyer und PD Dr. Arne Karsten am 21. September in der ewigen Stadt ein. Dass Rom bis heute nicht nur Anziehungsort für die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen der (Kunst-)Geschichte und der Germanistik ist, merkte die Gruppe, als sie die zahlreichen katholischen Pilger beobachtete, die im diesjährigen Anno Santo zum Vatikan als Zentrum ihres Glaubens strömten. In Wuppertal durch die Berichte verschiedener Italienreisender, die als Bestandteil der Grand Tour ihre Reiseeindrücke aus Rom literarisch festhielten, vorbereitet, erlebten die Studenten in den nächsten Tagen die verschiedenen, bereits im 17. und 18. Jahrhundert beschriebenen historischen Zeugnisse aus der Antike bis zur frühen Neuzeit. Nach einem ersten gemeinsamen Abendessen ging es am nächsten Morgen gestärkt Richtung Petersdom. Der imposanten Wirkung des von Bernini geplanten Vorplatzes konnte die Gruppe durch zuvor betrachtete Zeichnungen und Fotografien sowie Beschreibungen erahnen, jedoch erst vor Ort wirklich begreifen. Die nicht weniger prachtvolle Innenausstattung des Petersdoms ermöglichte an ausgewählten Kunstwerken von Michelangelo und Bernini Diskussionen zur Papstgeschichte, zu theologischen Aspekten und zu den Entwicklungen des Barocks. Zwischen Prachtentfaltung und der gewaltigen Kuppel erschloss sich den Studenten die Bedeutung des Bauwerks als geistliches und architektonisches Zentrum der Christenheit. Der folgende Besuch in Sant’Ignazio ermöglichte vor allem durch das imposante Deckenfresko einen ergänzenden Eindruck zum Kunstgeschmack und zur Machtinszenierung des 17. Jahrhunderts. Mit einem Schmunzeln konnte die Gruppe auch den Bedeutungswandel der Ordenskirche betrachten zu einem für heutige Romreisende viralem Selfiemotiv, das durch einen ursprünglich zwecks besserer Betrachtungsmöglichkeiten angebrachtem Bodenspiegel entstanden ist. Praktische Reiseerfahrungen der verschiedenen Reisenden der Frühneuzeit, zu denen unter anderem Pilger und meist adelige oder aus dem Bildungsbürgertum stammende Söhne auf der Grand Tour zählten, betrachtete die Studentengruppe aus Wuppertal am folgenden Tag. Als Anschauungsobjekte dienten hierfür die beiden ersten Anlaufstellen für Ankommende aus dem deutschen oder französischen Gebiet, die beiden Kirchen S. Maria dell’Anima und San Luigi dei Francesi. Dabei bewährte sich eine Methode, die auch in den kommenden Tagen und bei weiteren Kirchenbesichtigungen Anwendung fand: Über die Fassadenbeschreibung erschließt sich die Gruppe die wichtigsten Hinweise zum Kirchenbau, bevor im Innenraum Details ins Auge genommen werden. Dass zur Kulturerfahrung Rom auch der kulinarische Aspekt gehört, haben die Studenten unter anderem an diesem Abend erlebt. Gemeinsam wurden selbstgekochte italienische Antipasti und primi piatti, begleitet von einer anschaulichen Weinauswahl, verköstigt. Dem Gedicht Das Pantheon des deutschen Schriftstellers Wilhelm Waiblinger aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgend, näherte sich die Gruppe am nächsten Tag einem der markantesten antiken Bauwerke, das das Stadtbild bis heute nicht nur für nach instagramable Fotomotiven suchenden Touristenmassen prägt. Beschrieben wird im Gedicht: „Doch flücht ich stets […] Mich wieder zu dem / Götterhause, / Wo eingehüllt in Dunkelheit, / Von tiefem Schatten nur / gehoben, / Die stolze Säulenhalle blickt, / Und über seiner Wölbung oben / Mich nur ein einz’ger Stern / entzückt.“ Nicht nur die im Gedicht beschriebene, einmalige und beeindruckende Architektur, sondern auch eine Diskussion über historische Bauwerke im Wandel der verschiedenen Erinnerungskulturen regte die Studenten zu eigenen Gedanken an. Neben dem Pantheon, und weniger überlaufen, beschäftigte sich die Gruppe mit der einzigen gotischen Kirche Roms: Santa Maria sopra Minverva. Im Kirchenraum verdeutlichte die Auseinandersetzung mit einem von Bernini gestalteten Grabmal und der Jesus-Skulptur Michelangelos, einem roten Faden der Exkursion folgend, erneut den Zusammenhang zwischen Kunstförderung und Machtansprüchen im frühneuzeitlichen Rom. Diese Dominikanerkirche eröffnete fast zwangsläufig einen spannenden Austausch unter den Studenten über die Geschichte, Entwicklung und Rolle der bedeutenden europäischen Bettelordnen, zu denen die Anfang des 13. Jahrhunderts gegründeten Dominikaner gehörten. Den von Romreisenden der verschiedenen Zeiten betrachteten und bestaunten Palazzo Barberini besuchten die Studenten am Nachmittag. Die kunstvolle Ausstattung führte einmal mehr die barocke Repräsentationskultur der römischen Aristokratie eindrucksvoll vor Augen. Mit einem weiteren – sehr gut vor Ort nachempfindbaren – Interesse der Romreisenden verschiedener Zeiten beschäftigten die Studenten sich am letzten Tag der Exkursion. In den Reisen eines Deutschen in Italien von Karl Philipp Moritz, einem Zeitgenossen Goethes, heißt es: „Es gibt in diesem Klima keinen angenehmeren Begriff, als den der Villeggiatura, oder Landlust, mit welchem die Idee von Muße, von Befreyung von allem Zwange, und von der schönsten Jahreszeit, unzertrennlich verknüpft sind.“ Eben dieser Villeggiatura nahm sich die Gruppe bei ihrem Besuch der Villa Chigi in Ariccia und der päpstlichen Sommerresidenz in Castel Gandolfo an. Gut nachempfunden werden konnte dort die von Urban VIII. sehr poetisch verfasste Beschreibung des Ortes der päpstlichen Villeggiatura: „Hier, wo der Albaner See die klaren Wellen in lieblichen Kreisen sammelt und das tyrrhenische Meer für das Auge seinen himmelblauen Spiegel ausbreitet, verbreitet die Sonne goldene Strahlen durch die Luft. Die Bäume schmücken sich mit grünem Laub, die Wiesen mit Blumen, der Himmel mit heit‘rer Klarheit. […]“. Mit der Flucht aus der heißen, engen und vollen Stadt auf das Land in die erfrischende Natur fand auch die Exkursion – im Stile der klassischen Villeggiatura schließlich ihren passenden Abschluss: beim Schwimmen an der römischen Küste, umgeben von den Strahlen der untergehenden Sonne vor der Grotte di Nerone. Geschrieben von Regina Tews und Pauline Rützenhoff