Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften

Doktorandin Jaqueline Rolón aus Argentinien: "Ein Teil von mir wird immer in Wuppertal sein"

18.11.2024|14:46 Uhr

Jaqueline Rolón studiert an der Universidad Nacional de La Plata in Argentinien, mit der unsere Romanistik ein Austauschprogramm verbindet. Jedes Jahr kommen argentinische Studierende nach Wuppertal - während Studierende aus dem Bergischen den Weg an den Río de la Plata finden. Im Interview spricht Rolón, die ein Jahr an der BUW verbringt, über ihre Erfahrungen in Deutschland, die Gemeinsamkeiten von Antike und Moderne sowie darüber, was Jugendromane mit griechischer Mythologie zu tun haben.

 

Liebe Jaqueline, schön, dass du hier bist und wir mit dir sprechen können. Erzähl‘ uns ein bisschen von deinem akademischen Leben. Was hast du studiert?

Ich habe ein Profesorado de Letras (etwa: Lehramt für Literatur) an der Universidad Nacional de La Plata in Argentinien studiert und mache dort außerdem gerade noch einen Bachelor in Literatur. Dieses Jahr habe ich zudem meine Promotion in Literatur begonnen und verbringe gerade zwei Semester an der Bergischen Universität Wuppertal, um zu forschen, Seminare zu belegen und an Projekten teilzunehmen.

Ich weiß, dass du in Argentinien viel zu altgriechischer Literatur gearbeitet hast. Hier in Wuppertal gibt es einen renommierten Forschungsbereich zu Altphilologie. Konntest du deine Arbeit aus Argentinien dazu hier weiterführen?

In meinem Bachelor habe ich mich auf Altgriechisch spezialisiert, weshalb viele meiner Arbeiten und Artikel ausschließlich altphilologische Analysen waren. Während ich versuchte, ein Thema für meine Doktorarbeit zu finden, schrieb ich weiter Artikel über verschiedene Autoren von Tragödien und Lyrik. Ich schaute also, welcher von ihnen mich am meisten interessierte. Schließlich überzeugte mich keiner so sehr, dass ich über ihn hätte promovieren wollen, und ich fokussierte mich stattdessen mehr auf meine Arbeit als Lehrerin. Während ich lehrte und mich mehr mit zeitgenössischer Literatur befasste, bemerkte ich, dass ich auch darüber promovieren könnte. Ich stellte bei dieser Arbeit fest, dass Mythologien ständig aktualisiert und wiederaufgenommen werden, dass sie neu geschrieben und neu interpretiert werden, damit sie auch in modernen Realitäten anwendbar sind. Mir wurde also klar, dass mir ein interdisziplinärer Ansatz mehr helfen würde als ein einziger Fokus auf altphilologische Analyse. So gelangte ich zu dem Schluss, mich komparatistisch mit zeitgenössischer Literatur befassen zu wollen, die stark mit antiker Mythologie verbunden ist.

Interessant! Worüber promovierst du ganz konkret?

Der konkrete Titel meiner Thesis lautet „Die schulische Lehre von Mythologie mithilfe zeitgenössischer argentinischer Jugendromane“. Ich arbeite zu einer Auswahl von Autor*innen, bei denen ich bemerkt habe, dass sie sich entweder auf antike Mythen beziehen oder sogar Neufassungen von antiken Mythen geschrieben haben. Ich versuche also, Jugendromane zu analysieren und dort Verbindungspunkte zu antiken Werken herzustellen.

So entstand auch dein Interesse an der so genannten displacement poetry, zu der du in Argentinien gearbeitet hast? Das Motiv der Flucht lässt sich ja vielfach auch in antiken Werken finden.

Meine Doktormutter an der Universidad Nacional de La Plata ist Prof. Dr. María Inés Saravia de Grossi. Sie ist die Direktorin des Forschungsprojekts zu displacement poetry. Das ist ein sehr reichhaltiges Projekt, weil die übergeordnete Thematik des displacements es erlaubt, alle möglichen Werke zu untersuchen. Und ja, genau, die Basis dieses Projekts ist die Tatsache, dass sowohl in der Antike als auch in der Moderne displacements eine Reihe von Leiden beinhalten, die in der Literatur niedergeschrieben werden und wurden. Um den Betroffenen ein wenig Gerechtigkeit zuzuführen, ist es sehr wichtig, diese Texte weiterhin zu analysieren.

Es gibt also eine starke Verbindung zwischen der modernen Welt und den antiken Werken, die du untersuchst?

Ja. Man sucht [in der Wissenschaft; Anm. d. Ü.] ja immer diese Art der Verbindung, weil in dem Moment, in dem man antike Literatur liest, um der heutigen Welt zu entfliehen, diese antike Literatur ja schon nicht mehr ihren Zweck erfüllt: dich aufzuwecken; und eben nicht, dich einschlafen zu lassen. Sie ist dafür da, dich wach zu halten und dich der Welt bewusst werden zu lassen, die dich umgibt. Das Konzept der Literatur als etwas Individualistisches, in die man flieht, um der Welt zu entkommen, ist eine Lüge – die Literatur ist dafür da, dich mit der Welt zu verbinden! Denn obwohl du einen Text über etwas liest, das vor tausenden von Jahren oder am anderen Ende der Welt passiert ist, spricht dieses Werk auch von etwas, das dir genau jetzt gerade und an deinem konkreten Ort passiert. Weil diese Werke die Menschheit durchqueren.

Um dieses sehr interessante Gespräch zu beenden: Was gefällt dir an der Uni Wuppertal? Was nimmst du zurück nach La Plata?

Uff. Viele schöne Erinnerungen. Ganz viel Gelerntes, das mir die Lehrenden vermittelt haben. Ich bin überrascht über die Vielzahl an Aktivitäten, Kongressen, Tagungen, an denen man teilnehmen und von denen man lernen und sich wertvolles Material mitnehmen kann, um mit der Promotion weiterzukommen. Ein Teil von mir wird immer in Wuppertal sein, weil ich diese Erfahrungen niemals werde von mir loslösen können. Sie sind Teil von dem, was ich bin. Ich nehme viele Freunde mit, viel Befriedigung auch darüber, dass ich geschafft habe, was ich mir vorgenommen hatte: hierhin zu kommen, um an der Promotion zu arbeiten. Dies war etwas, was ich lange Zeit für unmöglich gehalten hatte. Das geschafft zu haben, gibt mir viel Sicherheit, weiterzumachen.

 

(Wer mehr Informationen über das Austauschprogramm mit der Universidad Nacional de La Plata haben möchte, findet diese hier. Für alle Fragen rund um Internationales und Austauschmöglichkeiten, steht Ihnen Dr. Carmen Ulrich, Referentin für Internationales, unter ulrich[at]uni-wuppertal.de gerne zur Verfügung.)

Interview: Jascha Winking

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